Auszug Gebäude, Orte und Ereignisse in Arheilgen
- Fundsachen des Arheilger Geschichtsvereinsvon Jürgen Hein-Benz
Einkauf und Handel in den Geschäften im Ort
(jhb) An die Vielzahl der Geschäfte, an den Handel und die Einkaufserlebnisse in früheren Jahrzehnten erinnerte der Arheilger Geschichtsverein mit einer Fotopräsentation und vorgelesenen Geschichten in seiner Kerb-Veranstaltung am 4.November im Bürgerhaus „Zum Goldenen Löwen“. Karin Wesp und Alexander Pfeiffer vom Vorstand des Geschichtsvereins hatten die Fotos aus dem Vereinsarchiv zusammengestellt.
Der Veranstaltungsraum war gut besucht, als der Vereinsvorsitzende Alexander Pfeiffer ein munteres Frage- und Rätselspiel mit den Gästen veranstaltete: „Bei wem roch es in Arheilgen so gut nach frischem Leder?“ „Wo stand diese Zapfsäule?“ “Wer steht hinter dem Verkaufstresen im Milchgeschäft Völger?“ – Die Antworten aus dem Publikum kamen prompt: „Die Magunde Ohl war es!“ „Beim Sattler Stein wurde jeder Tornister repariert“ „Das war in der Frankfurter Landstraße Höhe…“ „Das war doch…“ „Ach, geh weg! Da irr’n Sie sich. Das ist doch das Textil-Geschäft Frey und daneben sieht man Möbel Windhaus gleich hinter der Kreuzung am ‚Schwanen‘“. – Nicht nur die Erinnerungen der alteingesessenen Oarhelljer wurden geweckt, auch diejenigen, die erst in den letzten Jahren in Arheilgen ihr zuhause gefunden haben, erfuhren viel über die bunte Geschäftswelt in der Zeit von den 20iger bis tief in die 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts. Einen Gewerbeverein gibt es schon seit 1890.
An besondere Einkaufserlebnisse erinnerte Mechthild Benz, wenn sie einige der gezeigten Fotos mit vorgelesenen Geschichten und Gedichten lebendig machte: So „klingelte“ in der Geschichte über das „Bonbonglas“ von Else Dann die Türglocke der Drogerie Brücher und die großen Gläser mit roten und grünen „Gutsel“ auf dem Verkaufstresen entfalteten ihre magische Anziehungskraft auf Kinderaugen. Und wie entschleunigt das Einkaufen „beis Sturmfelse“, dem heutigen Woll- Bachmann in der Gute -Gartenstraße“, früher war, beschrieb Elfriede Weber in einer Erinnerung. Beide Geschichten finden sich im zweiten Band “Geschichten aus Alt-Arheilgen“, die die Arheilger Familienforschung gesammelt hatte. Gedichte von Georg Benz, dem Arheilger „Liesje“, rundeten das Programm ab.
- Fundsachen des Arheilger Geschichtsvereinsvon Jürgen Hein-Benz
Schulzeugnisse zu Ur-Ur-Omas-Zeiten
(jhb) Bald gibt es Sommerferien. Doch vorher erhalten die Schulkinder ihre Zeugnisse. Gab es die Zeugnisse schon immer im Sommer? Wie sahen die Zeugnisse früher aus? Der Arheilger Geschichtsverein hat ein Volksschul-Zeugnisheft aus Ur-Ur-Omas Zeiten erhalten. Es gehörte Elisabeth Marie Benz, genannt wurde sie Elise. Dieser Name steht auch auf dem Heft.
Elise Benz kam am 6. Juni 1901 auf die Welt. Sie war das älteste Kind von Marie Benz, eine geborene Beck. Ihr Vater, Wilhelm Benz VII., war Schriftsetzer, der im Druckhandwerk die Texte einer Druckvorlage Buchstabe für Buchstabe aus Bleilettern setzte.
Das Elternhaus von Elise stand am Rand der damaligen Arheilger Bebauung in der Wernerstraße. Nicht weit davon entfernt, hatte die Gemeinde Arheilgen 1895 am Alten Darmstädter Weg (heute: Stadtweg) ein großes Gelände erworben und dort 1897/98 für 37.500 Mark ein neues Schulgebäude mit vier Schulsälen errichtet. Wie Helma Richter im zweiten Band „Geschichten aus Alt-Arheilgen“ berichtet, begann zehn Jahre später auf dem Gelände an der heutigen Bernhardstraße der Bau eines weiteren Schulhauses. Es war für acht Klassen ausgelegt und wurde im April 1908 eingeweiht. Beide Gebäude gehören heute noch zur Astrid-Lindgren-Schule.
1907 eingeschult in die achte Klasse
Elise wurde in der Osterzeit am 8. April 1907 in die achte Klasse der Arheilger Schule eingeschult. Die Volksschule, die acht Schuljahrgänge umfasste, war damals die öffentliche Schule, die von der großen Mehrzahl der Kinder besucht wurde. Die Jahrgänge wurden heruntergezählt. Dies änderte sich erst 1920, als in der Weimarer Republik für alle Kinder eine gemeinsame vierjährige Grundschule eingeführt wurde. Die Gymnasien behielten das Herunterzählen der Jahrgänge noch bis in die jüngste Vergangenheit bei.
Die ersten Noten schrieb Elises Lehrerin, Frau Starcke, am 25. September 1907 in das rosafarbene Din A5 große Zeugnisheft, in dem für jedes Schuljahr ein Zeugnisblatt enthalten ist. Elises wurde in Lesen, Rechnen, Schreiben und Singen unterrichtet. Hinzu kam der Anschauungsunterricht. Heute wäre dies der Sachunterricht. Ganz oben auf dem Zeugnisblatt standen aber die Noten für das Betragen und den Religionsunterricht.
„Betragen“ war recht gut
Elise erhielt eine 1 in Betragen, sie war demnach „recht gut“, wie die Legende auf der ersten Zeugnisseite erläutert. Für Betragen gab es vier Noten, eine 4 wäre „tadelhaft“ und damit völlig unakzeptabel gewesen. Für Leistungen in Schulfächern gab es fünf Noten. Elise erhielt fast nur Einser, lediglich in Singen und Religion eine zwei. In der achten Klasse, sprich Eingangsklasse, bekamen die Kinder nochmals kurz vor Weihnachten Zeugnisse und zum Abschluss des ersten Schuljahres im April. Die sehr gute Schülerin Elise bekam den Versetzungsvermerk. In den folgenden Schuljahren erhielten Elise und ihre Klassenkameradinnen – die Klassen waren nach Geschlechtern getrennt – nur ein Zwischenzeugnis. Unterschreiben musste das Zeugnis immer der Vater oder ein Stellvertreter. Die Unterschrift der Mutter war von der Schulbehörde nicht erwünscht.
Sommerzeit ist zunächst Zeugniszeit
Elises Schulzeit endete am 27. März 1915. Im Jahr zuvor war ihre Mutter gestorben. Elise sorgte sich um den Haushalt und zog vier jüngere Geschwister groß. Nach der Schule arbeitete sie bei der Firma Merck in der Produktion. Die „warmherzige Tante“ verstarb bereits im April 1955, wie sich ihre Nichte Karin Wesp erinnert.
Die generelle Umstellung des Schuljahresbeginns und – endes auf das Ende und den Beginn der Sommerferien erfolgte in Deutschland nach zwei Kurzschuljahren 1967. Seitdem ist die Sommerzeit auch in Hessen zunächst eine Zeugniszeit.