Willkommen beim Arheilger Geschichtsverein e.V.

Auszug Gebäude, Orte und Ereignisse in Arheilgen

  • „Oarhelljer Köpp“ Die Georg Mampels – Leben für Demokratie und Gerechtigkeit – Folge 4

    Der Arheilger Geschichtsverein stellt in dieser Rubrik Menschen vor, die das Leben im Ort am Ruthsenbach prägten, den Alltag in besonderer Weise repräsentierten oder Leistungen erbrachten, die sie über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. In einer kleinen Serie mit vier Folgen berichten wir nun über vier Mitglieder der Familie Mampel, die von Mitte des 19. bis Ende des 20.Jahrhunderts in Arheilgen lebten. Alle vier trugen den Namen Georg Mampel.

    Georg Mampel – Wer ist wer?

    Früher wurde in Arheilger Familien nur eine kleine Anzahl von Vornamen vergeben. Um die oft gleichnamigen Familienangehörigen besser unterscheiden zu können, erhielten sie alle noch eine römische Zahl. Manchmal wurde diese Nummerierung auch nachträglich von Familienforschern vergeben, so dass wie bei unseren Georgs ein Nummernsalat entstand. Deshalb erhielten unsere Georgs nachträglich noch „Spitznamen“, so wie es in Arheilgen früher ebenfalls weit verbreitet war.

    Georg Mampel IVa, geb. 31.03.1853 – gest. 23.04.1922, gelernter Eisendreher. Er ist ein „Pionier“ der Arheilger Arbeiterbewegung und Vater des Netzwerkers.

    Georg Mampel IV, geb. 21.02.1881 – gest. 19.01.1973, gelernter Schlosser. Er ist der „Netzwerker“ der Arbeiterorganisationen, Vater des Chronisten und ein Onkel des Schaffers.

    Georg Mampel I, geb. 22.07.1911 – gest. 29.06.1991, gelernter Glaser. Er ist der „Schaffer“, der immer hilft und anpackt und ein Cousin unseres Chronisten.

    Georg Mampel II, geb. 6.02.1912 – gest. 23.04.1992, gelernter Kaufmann. Er ist unser „Chronist“, der akribisch die Familienchronik der Mampels und die Geschichte der örtlichen SPD aufschrieb.

    (jhb) Georg Mampel II, der Chronist, war sein Leben lang in den Organisationen der Arheilger Arbeiterbewegung aktiv. 1986 veröffentlichte die Arheilger SPD die von ihm erforschte Geschichte unter dem Titel „100 Jahre Sozialdemokratie in Arheilgen“. Die Geschichte der organisierten Sozialdemokratie reicht in Arheilgen bis in das Jahr 1878 zurück. Seit 1903 gibt es hier die Partei unter dem Namen SPD. Die Geschichte der Familie Mampel ist sehr eng mit den ersten hundert Jahren der Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung verbunden. Bei jedem wichtigen Meilenstein war immer ein Mampel dabei. Und meistens hieß er Georg.

    Folge 4 und Ende: Wiederaufbau und demokratische Neuordnung  

    Das politische und gesellschaftliche Leben entsteht

    Unser Schaffer Georg Mampel I arbeitete nach dem Krieg zuerst in seinem gelernten Beruf als Glasermeister in einem Darmstädter Betrieb. Danach wurde er Hausmeister in städtischen Schulen u.a. in der Arheilger Brüder-Grimm-Schule und bis zur Pensionierung an der Wilhelm-Busch-Schule. „Er war immer ein freundlicher und den Schülern zugewandter Mensch,“ erinnert sich der später Oberbürgermeister Peter Benz.

    Nach der Befreiung vom Faschismus – am 25.März waren amerikanische Truppen in Arheilgen eingerückt – beteiligte er sich sofort am Wiederaufbau des politischen, gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in Arheilgen. Er nahm an der Neugründung der SPD im Sommer 1945 teil und führte ab 1946 über 30 Jahre deren Kassengeschäfte.  Ebenso war er 1945 an der Wiedergründung der Arbeiterwohlfahrt beteiligt und Gründungs- und Vorstandsmitglied der Sportgemeinschaft Arheilgen (SGA), in der sich die ehemals fünf selbständigen Sportvereine des Ortes zusammenschlossen.

    Da Arheilgen 1937 nach Darmstadt eingemeindet worden war, waren auch die Arheilger am 26. Mai 1946 aufgerufen, an der ersten demokratischen Wahl zur Darmstädter Stadtverordnetenversammlung nach dem Krieg teilzunehmen. Mit einem Stimmenergebnis von fast 56 Prozent entsandten die Arheilger zwei Stadtverordnete in die Stadtverordnetenversammlung.  Von 1956 bis 1964 vertrat auch Georg Mampel I seinen Stadtteil im Kommunalparlament.

    Erziehung zur Demokratie

    Der Netzwerker Georg Mampel IV war am Ende der Nazi-Zeit 64 Jahre alt. Bis zur seiner Pensionierung 1944 arbeitete er als Schlosser bei der Herdfabrik Gebrüder Roeder AG in Darmstadt. Diese stellte kriegswichtige Ausrüstung her. Nach dem Krieg wirkte er an der Wiedergründung der SPD, des Gesangsvereins „Treue“ und der Metallgewerkschaft mit.

    Für die Kinder engagierte er sich in der Nachkriegszeit ganz besonders. So beteiligte er sich an den Kindererholungsfreizeiten der Arbeiterwohlfahrt, zuerst am Arheilger Mühlchen, später im AWO-Kinderheim „Kinderglück“ in Eberstadt.

    Nachdem sein Sohn Georg Mampel II, unser Chronist, 1948 aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, gründete dieser mit weiteren Helfern aus der früheren SAJ und den Kinderfreunden – unter anderem der späteren SPD-Stadtverordneten Käthe Langendorf (geb. Büttner) – die erste Kindergruppe der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Die Falken veranstalteten später sogar internationale Zeltlager auf ihrem Zeltplatz an der Dianaburg. Die nachwachsende Generation sollte zu Demokratie, grenzüberschreitende Freundschaft und Solidarität erzogen werden. Im später errichteten Falkenheim in der Fuchsstraße hat das „Rotzfreche Spielmobil“ der Falken noch immer seine Geschäftsstelle.

    Baugenossenschaft Arheilgen – Parteiübergreifende Zusammenarbeit

    Arheilgen hatte 1949 rund 11.000 Einwohner. Obwohl die Siedlungen in Arheilgen weitgehend von Bombenangriffen verschont blieben, herrschte Wohnungsnot. Deshalb wurde auf Initiative von Arheilger Sozialdemokraten, vor allem dem Vorsitzenden Fritz Wernath, 1949 die Gemeinnützige Baugenossenschaft Arheilgen gegründet.

    Der Schaffer Georg Mampel I gehörte ab 1952 für 20 Jahre dem Aufsichtsrat dieser Genossenschaft an. Durch ihre Bautätigkeit erhielten viele Familien ein neues Dach über den Kopf. Den Vorstand der Genossenschaft bildeten Mitglieder aus SPD, CDU und Gewerkschaften. Langjähriger Architekt war Phillip Benz. Als überzeugter Kommunist saß er unter den Nazis zeitweise im KZ Osthofen ein und blieb seiner Überzeugung bis zum Lebensende treu. Dies war aber kein Hindernis für eine sachdienliche parteiübergreifende Zusammenarbeit für Demokratie und sozialen Fortschritt.

    Aktive Gewerkschafter und Kommunalpolitiker

    Als Georg Mampel II 1948 krank aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück nach Arheilgen kam, konnte er aus betrieblichen Gründen nicht von seinem alten Betrieb übernommen werden. Nach Jahren der Arbeitslosigkeit, dem Arbeitsvermittlungsverbot unter den Nazis und kurzer Selbstständigkeit hatte der begeisterte Stenograf 1936 nach vielen Widerständen beim Winkler-Verlag, der Publikationen für Kurzschrift und Maschineschreiben herausgab, eine Anstellung gefunden. Nun fand er im Juni 1948 eine Anstellung bei der DEGUSSA in Frankfurt und organisierte sich in der IG Chemie, Papier, Keramik. Jahrzehntelang arbeitete bis zur Rente 1977 als gewerkschaftlicher Vertrauensmann, zuletzt auch als Betriebsrat. Von 1960 bis 1972 engagierte es sich im Angestelltenausschuss seiner Gewerkschaft.

    Von Ende der 40iger Jahre bis Mitte der 60iger Jahre gehörten Georg Mampel I und Georg Mampel II gemeinsam mit dem IG Metallsekretär Fritz Wernath zu den prägenden Sozialdemokraten in Arheilgen. 

    Die lokalen Interessen vertraten sie auch in den Darmstädter Parteigremien, Georg Mampel I und Fritz Wernath wirkten zudem als Stadtverordnete. Fritz Wernath war sogar von 1956-1964 Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung. Und sie blieben mit ihren Arheilgern im Gespräch. Beim großen Waldfest, das die Nachkriegs-SPD an der Dianaburg oder dem George-Brünnchen mit der Bevölkerung jährlich zu Pfingsten feierte, war insbesondere auf den Schaffer Georg Mampel verlass.

    Auch Georg Mampel II war immer kommunalpolitisch aktiv, ohne ein politisches Mandat zu haben. „Akribisch arbeitete er die Wahlergebnisse auf, analysierte Stärken und Schwächen der Wahlkämpfe und sorgte für regelmäßige Information der Bevölkerung in wahlkampffreien Zeiten“, erinnert sich der spätere Oberbürgermeister Peter Benz.

    „Ehret die gute Tat“

    Anlässlich Fritz Wernaths 65. Geburtstages riefen die Arheilger SPD, das Ortskartell der Gewerkschaften und die Arbeiterwohlfahrt unter kräftiger Mitwirkung der Mampel-Cousins die Fritz Wernath-Stiftung ins Leben. Sie stand unter dem Motto „Ehret die gute Tat“. Die Stiftung ehrte über viele Jahre Arheilger oder Arheilgerinnen oder eine ganze Gruppe des Stadtteils, die eine gute Tat vollbracht hatten.

    Auch die Mampels wurden für ihre guten Taten geehrt – von den Organisationen, in denen sie ehrenamtlich aktiv waren, von der Stadt Darmstadt, dem Land Hessen und der Bundesrepublik Deutschland. So erhielt unser Netzwerker Georg Mampel IV 1961 die Ehrenurkunde der Stadt Darmstadt für verdiente Bürger, unser Schaffer Georg Mampel I und unser Chronist Georg Mampel II erhielten diese 1977, beide empfingen Ende der 70iger den Ehrenbrief des Landes Hessen und 1983 wurde Georg Mampel II mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Bis ins hohe Alter – so Peter Benz – habe der Familien- und Parteichronist Georg Mampel gemahnt: „Demokratie ist nicht selbstverständlich. Ihr müsst schwätzen mit die Leut.“

    Bild 1  – Bürgerehrung -BU:
    (W. Kumpf/AGV) 1977 erhielten Georg Mampel I, unser „Schaffer“ (2.v.l.), und Georg Mampel II, unser Chronist (1.v.l.), die Ehrenurkunde der Stadt Darmstadt für verdiente Bürger. Oberbürgermeister H.W. Sabais (vorne rechts) überreichte die Urkunde.
    Bild 2 – Kinderfreizeit -BU:
    (AGV) Unser Netzwerker Georg Mampel IV setzt sich auch noch als Rentner nach der Befreiung vom Faschismus für das Wohlergehen und die Rechte der Kinder ein. Getreu eines Liedes der Falken sollten sie das „Bauvolk“ einer gerechteren und demokratischen Welt werden. Hier ist er auf einer Kinderfreizeit der Arbeiterwohlfahrt zu sehen.
    Bild 3 – Fritz Wernath- BU:
    Fritz Wernath (geb.1899- gest.1964) lebte ab 1946 in Arheilgen. Der Gewerkschafter wurde 1956 für die Arheilger SPD zum Stadtverordneten gewählt, von 1956 bis 1964 war er Stadtverordnetenvorsteher. Er initiierte die Gründung der Baugenossenschaft Arheilgen, die nach dem Krieg mehr als hundert Siedlungshäuser in Arheilgen errichtete. Nach ihm ist die Fritz-Wernath- Siedlung rund um den Stadtweg benannt.
    Bild 4 – Kriegsgefangenen Ausweis – BU:
    (AGV) Im August 1939 kurz vor dem Überfall Nazis-Deutschlands auf Polen wurde unser Chronist Georg Mampel II zum Kriegsdienst eingezogen. Bis 1948 blieb er als Kriegsgefangener in Russland, der UdSSR. Danach beteiligte er sich mit großem demokratischem Engagement an der demokratischen Neuordnung in Arheilgen und Darmstadt.

  • „Oarhelljer Köpp“ Die Georg Mampels – Leben für Demokratie und Gerechtigkeit – Folge 3

    Der Arheilger Geschichtsverein stellt in dieser Rubrik Menschen vor, die das Leben im Ort am Ruthsenbach prägten, den Alltag in besonderer Weise repräsentierten oder Leistungen erbrachten, die sie über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. In einer kleinen Serie mit vier Folgen berichten wir nun über vier Mitglieder der Familie Mampel, die von Mitte des 19. bis Ende des 20.Jahrhunderts in Arheilgen lebten. Alle vier trugen den Namen Georg Mampel.

    Georg Mampel – Wer ist wer?

    Früher wurde in Arheilger Familien nur eine kleine Anzahl von Vornamen vergeben. Um die oft gleichnamigen Familienangehörigen besser unterscheiden zu können, erhielten sie alle noch eine römische Zahl. Manchmal wurde diese Nummerierung auch nachträglich von Familienforschern vergeben, so dass wie bei unseren Georgs ein Nummernsalat entstand. Deshalb erhielten unsere Georgs nachträglich noch „Spitznamen“, so wie es in Arheilgen früher ebenfalls weit verbreitet war.

    Georg Mampel IVa, geb. 31.03.1853 – gest. 23.04.1922, gelernter Eisendreher. Er ist ein „Pionier“ der Arheilger Arbeiterbewegung und Vater des Netzwerkers.

    Georg Mampel IV, geb. 21.02.1881 – gest. 19.01.1973, gelernter Schlosser. Er ist der „Netzwerker“ der Arbeiterorganisationen, Vater des Chronisten und ein Onkel des Schaffers.

    Georg Mampel I, geb. 22.07.1911 – gest. 29.06.1991, gelernter Glaser. Er ist der „Schaffer“, der immer hilft und anpackt und ein Cousin unseres Chronisten.

    Georg Mampel II, geb. 6.02.1912 – gest. 23.04.1992, gelernter Kaufmann. Er ist unser „Chronist“, der akribisch die Familienchronik der Mampels und die Geschichte der örtlichen SPD aufschrieb.

    (jhb) Georg Mampel II, der Chronist, war sein Leben lang in den Organisationen der Arheilger Arbeiterbewegung aktiv. 1986 veröffentlichte die Arheilger SPD die von ihm erforschte Geschichte unter dem Titel „100 Jahre Sozialdemokratie in Arheilgen“. Die Geschichte der organisierten Sozialdemokratie reicht in Arheilgen bis in das Jahr 1878 zurück. Seit 1903 gibt es hier die Partei unter dem Namen SPD. Die Geschichte der Familie Mampel ist sehr eng mit den ersten hundert Jahren der Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung verbunden. Bei jedem wichtigen Meilenstein war immer ein Mampel dabei. Und meistens hieß er Georg.

    Folge 3: Verteidigung und Demontage der Demokratie

    Jugend in der Arbeiterbewegung

    Selbstverständlich waren die beide Cousins Georg Mampel I , der Schaffer ,und der spätere Chronist Georg Mampel II Mitglieder in der Sozialistischen Arbeiterjugend Arheilgens. Sie nahmen an deren Gruppenabenden und überörtlichen Jugendtagen teil. Nach einem Sommerzeltlager für Kinder arbeitsloser Familien, das die Arheilger Arbeiterwohlfahrt veranstaltet hatte, gehörte Georg Mampel II im Herbst 1931 zu den Mitgründern einer Ortsgruppe der sozialistischen „Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde“. In den Kindergruppen dieser Organisation, den Gruppen der Roten Falken, gestalteten die Arbeiterkinder ihre Freizeit, übten sich in Solidarität und demokratischen Entscheidungen.  Georg war ihr Gruppenleiter, Kätha Wesp, Katharina Büttner, spätere Langendorf, Jakob Hahn und Wilhelm Lutz zählten ebenso zu den Helfern der Kindergruppen.

    Um die Demokratie wehrhaft zu machen, wurde schon 1924 der republikanische Schutzbund „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ gegründet, Anfang der 30iger Jahre zählte der Wehrverband ca. 3 Millionen Mitglieder. Die beiden Cousins zählten zu den Arheilger Reichbanner-Leuten und waren zudem Schützen im Kleinkaliberschützenverein „Republik“. Als sich unser Netzwerker Georg Mampel IV aus dem Vorstand der örtlichen SPD zurückzog, rückte sein Sohn, der spätere Chronist, Georg Mampel II, als Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend nach.

    Unser „Schaffer“ Georg Mampel I hatte nach der Schulzeit das Glaser-Handwerk erlernt. Georg Mampel II absolvierte nach der Handelsschule eine kaufmännische Lehre in der Eisengroßhandlung Gebrüder Trier in Darmstadt. Nach seiner Lehrzeit Ende September 1931 teilte ihm das Unternehmen jedoch mit, dass man ihm „infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse“ keine Position im Hause schaffen könnte. So wurde auch er mitten in der Weltwirtschaftskrise arbeitslos. 1931 traf die Arbeitslosigkeit rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland, der Höhepunkt wurde 1932 mit 5,6 Millionen erreicht.

    Arheilgen bleibt auf demokratischem Kurs

    In der Weimarer Republik waren die Sozialdemokraten auf Reichsebene von 1919 bis Ende 1923 und von 1928 bis 1930 in Regierungsverantwortung.  1930 zerbrach die Große Koalition, die der SPD-Reichskanzler Müller angeführt hatte, an der Neuregelung der Arbeitslosenversicherung. Der massenhafte Aufstieg der Nationalsozialisten begann.

    In den Reichstagswahlen im September 1930 wurde die NSDAP mit 18,3 Prozent durch einen explosionsartigen Stimmenzuwachs von 15,5 Prozent im Reichstag die zweitstärkste politische Kraft hinter der SPD mit 24,5 Prozent. In Arheilgen lagen die Verhältnisse noch anders: Die SPD bekam hier 58 Prozent der Stimmen, die KPD 8,1 Prozent und die NSDAP zunächst nur 9,1 Prozent der Stimmen.

    Die Aufbauarbeit des Netzwerkers Georg Mampel IV, des Bürgermeisters Jakob Jung, des  Beigeordneten Thomas Spengler und ihrer Parteifreunde zahlte sich sich in der Wirtschaftskrise in Arheilgen aus: Das sozialdemokratisch geprägte Vereinsleben und eine sozial verantwortungsvolle Politik des Gemeinderates fing die Arbeiterfamilien auch in der Wirtschaftskrise auf. Gelebte Solidarität, Bildungs- und antifaschistische Aufklärung durch SPD und Gewerkschaften wirkten wie politische Leitplanken:  Arheilgen blieb lange Zeit auf demokratischem Kurs.

    Besonders kreativ und beliebt waren in Arheilgen die Auftritte des politischen Kabaretts „Die Roten Funker“. Junge sozialdemokratisch gesinnte Männer und Frauen hatten es ins Leben gerufen. Darunter waren selbstverständlich auch unsere beiden Cousins der Familie Mampel. Auf einer Freilichtbühne im Hof des „Goldenen Löwen“ begeisterten sich bis zu 1000 Zuschauer an satirischen Spielszenen, Liedern und Rezitationen. Die Auftritte hatten allerdings ein Nachspiel: Nach der Machtübergabe an die Nazis wurde der Hitlerimitator Wilhelm Lutz einige Zeit im Konzentrationslager Osthofen inhaftiert.

    Hakenkreuzler ziehen durch die Straßen

    Am 30. Januar 1933 wird Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die nationalsozialistischen Architekten der Macht bauten den NS-Unterdrückungsapparat. Sie lösten den Reichstag auf, sie drangsalierten Kommunisten, Sozialdemokraten und aufrechte Demokraten. Am 5. März 1933 fanden die letzten Reichstagswahlen der Weimarer Republik bereits unter undemokratischen Bedingungen statt. Dennoch: In Arheilgen wurde die NSDAP mit 32,5 Prozent der Stimmen nur die zweitstärkste politische Kraft, 45,5 Prozent der Wähler unterstützten weiterhin die SPD, 12,2 Prozent gaben ihre Stimmer der KPD.

    Bereits in der Nacht zum 7.März zogen die sogenannten Hilfspolizisten der SA vor das Haus des sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, Peter Nicolaus, und bedrohten ihn. Der Straßen- und Meinungsterror nahm auch Arheilgen in den Griff.

    Auflösung der kommunalen Selbstverwaltung

    Die Nazis hoben die Selbstverwaltung der Gemeinden auf. Zunächst wurde der Gemeinderat auf Grundlage des Wahlergebnisses vom 5.März 1933 neu besetzt. Danach erhielt die SPD in Arheilgen weiterhin 8 von 15 Sitzen, auch unser alter Netzwerker Georg Mampel erhielt ein Mandat. Die abgegebenen Stimmen für die KPD blieben bei der Benennung unberücksichtigt. Obwohl nicht in einer Gemeinderatswahl gewählt, wurden sechs Nazi benannt, darunter der NSDAP-Ortsgruppenleiter Julius Birkenstock.

    Im April enthoben die Nazis Bürgermeister Jakob Jung seines Amtes, und inthronisierten Julius Birkenstock; daraufhin nahmen Georg Mampel und die anderen ernannten sozialdemokratischen Gemeinderäte ihre Mandate nicht an. Die Gewerkschaften wurden handstreichartig gleichgeschaltet. Dann okkupierten die Nazis den Konsumverein. Die SPD und ihre Vereinsfamilie wurden verboten. Zahlreiche Arheilger Sozialdemokraten mussten sich regelmäßig bei der Polizei melden. Wie zuvor die Kommunisten erhielten sie Schreib- und Berufsverbote oder kamen ins Konzentrationslager.

    Arbeitsverbote und Kriegsdienst

    Unser Chronist Georg Mampel II blieb trotz seines guten Berufsabschlusses bis 1936 arbeitslos. In der Akte des Arbeitsamtes wurde er als „ehemaliger marxistischer Funktionär“ geführt, dem keine Anstellung vermittelt werden durft. Zwischenzeitlich machte er sich mit einem Schokoladengeschäft selbstständig.

    Nach dem Verbot des Arbeiter Turn- und Sportvereins schlossen sich die beiden Mampel-Cousins, Georg I und II, in Arheilgen der „Sportvereinigung 04“ an. Bald waren sie Mitglieder des Vereinsvorstandes. Bis 1939 widersetzte sich der Verein erfolgreich gegen einen Anschluss an den Darmstädter Nazi-Großverein „Gemeinschaft für Leibesübungen“. Im August 1939 wurde unser Chronist Georg Mampel II zum Kriegsdienst einberufen, später kam er als Unteroffizier in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wurde.

    Sein Cousin, der Schaffer Georg Mampel I, war ebenfalls Soldat in Russland. Das Kriegende erlebte er jedoch im Reichsgebiet und entging so der Kriegsgefangenschaft. 

    (wird fortgesetzt)

    Bild 1- Ausweis 1928- BU:
    (AGV) – Offiziell war Arheilgen bis 1930 von Frankreich besetzt. Für den Besuch der Handelsschule in Darmstadt benötigte der 16jährige Arheilger  Georg Mampel II einen speziellen Ausweis.
    Bild 2 – Wahlkampf 1928 – BU:
    (AGV) Wahlwerbung Mai 1928 in Arheilgen: Auf dem Wagen mit der Fahne u.a. Jakob Hahn. Vorsitzender der SAJ, Ludwig und Heinrich Müller, Georg Volz, Fritz Meister und Michael Seibert. Aus der Reichstagswahl 1928 ging die SPD als Gewinner hervor. Reichsweit erhielt sie 29,8 Prozent der Stimmen, in Arheilgen 61,7 Prozent. Nach 1923 kam es unter Hermann Müller zur letzten SPD-geführten Regierung in der Weimarer Republik.
    Bild 3 – pdf -Quartettkarten – BU:
    (Archiv d. AJB) Georg Mampel II war 1931 Mitbegründer der Kinderfreunde in Arheilgen. In den Falken-Gruppen und Zeltlagern der Kinderfreunde, den Kinderrepubliken, lernten Kinder demokratisches Entscheiden. Ein Hilfsmittel dafür war Kartenquartettspiel.  
    Bild 4 – Anzeige „Schoko-Buck“ – BU:
    (AGV/AA 1935) Unserer Chronist Georg Mampel wurde 1931 nach seiner kaufmännischen Ausbildung arbeitslos. Unter den Nazis wurde er ab 1933 als Sozialdemokrat vom Arbeitsamt nicht vermittelt. Er hatte einen Eintrag in der Akte und versuchte sich mit einem Schokoladengeschäft in der Unteren Mühlstraße 36  über Wasser zu halten. 1935 schaltete er im Arheilger Anzeiger diese Anzeige.