Der Arheilger Geschichtsverein stellt in dieser Rubrik Menschen vor, die das Leben im Ort am Ruthsenbach prägten, den Alltag in besonderer Weise repräsentierten oder Leistungen erbrachten, die sie über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht haben.
Vorbemerkung in eigener Sache
(jhb) Wer Geschichtsbücher oder unsere Rubrik liest, kann schnell den Eindruck gewinnen, nur Männer machten Geschichte. Dies liegt an den überlieferten Quellen, historischen Rollen- und Machtverteilungen und dem jeweiligen Blick auf historische Entwicklungen: Welche Personen nehmen wir wahr, was ist uns wichtig, woran misst sich die Bedeutung des menschlichen Handelns? Der Arheilger Geschichtsverein wird darauf achten, dass er mehr die weiblichen „Oarhelljer Köpp“ würdigt – ohne sie, wäre Arheilgen nicht so lebenswert wie es ist. Heute stellt Marga Kroeker-Benz Hedwig Grein vor, die aus der typischen Rollenverteilung ihrer Zeit wirkte und im Arheilger Kirchenkampf ein informelles Nachrichtennetzwerk knüpfte. Die Folde erscheint in zwei Teilen. Heute: Teil 1/2.
Die Lehrerin Hedwig Lucius trifft den Theologiestudenten Karl Grein
(mk) Der Abend am 15. September 2025 im Gemeindehaus der Auferstehungskirche war dem Arheilger Pfarrer Karl Grein (1920 – 1952) und der Geschichte des Nagelkreuzes gewidmet, das noch heute die Standhaftigkeit vieler Arheilger und Arheilgerinnen und der Pfarrfamilie im Kirchenkampf symbolisiert. In dieser Diskussion wurde der feministische Geschichtsblick „nur kurz gestreift. Nun ist es an der Zeit zu zeigen, dassKarl Grein nur so tatkräftig in der Öffentlichkeit wirken konnte, weil er hinter sich Hedwig Grein, seine Ehefrau, wusste. Der Theologiestudent Karl Grein lernte Hedwig Lucius1903 während eines Besuches bei der befreundeten Familie Baur in Lindenfels kennen. Die Freundschaft zwischen den beiden Familien knüpfte bereits der Darmstädter Pfarrer und Hofprediger Ernst Philipp Grein, Karl Greins Vater. Karl Grein war auch kurz Hauslehrer bei einem Sohn der Familie Baur.
Hedwig Lucius, 1884 geboren, also drei Jahre jünger als Karl, stammte aus einer Mainzer Familie und wuchs mit fünf Schwestern und zwei Brüdern auf. Sie besuchte die höhere Mädchenschule und absolvierte die Ausbildung am Mainzer Großherzoglichen Lehrerinnenseminar, d.h. sie erwarb dadurch die Berechtigung, als Lehrerin an einer höheren Mädchenschule zu unterrichten. Zur Zeit des Besuches bei der Familie Baur unterrichtete Hedwig als Hauslehrerin die Kinder der Familie Freiensehner in Lindenfels. Die Familien Lucius und Freiensehner waren verwandtschaftlich verbunden.
1904 -1906 war Hedwig Lehrerin an der Privatschule „Lucius“, eines Verwandten in der Wetterau. Danach unterrichtete sie bis 1909 an einer höheren Mädchenschule in Büdingen. Schließlich beauftragte das Großherzogliche Ministerium des Innern Hedwig Lucius, eine Anstellung in der höheren Mädchenschule in Mainz zu übernehmen, um einen erkrankten Lehrer zu vertreten.
In dieser Zeit wechselten Briefe zwischen Hedwig Lucius und Karl Grein hin und her. Die jungen Menschen trafen sich gelegentlich und lernten sich kennen.
Die gemeinsamen Jahre bis zum Ende des 1.Weltkrieges
Karl Grein schwärmte von dem reichen Familienleben im Elternhaus von Hedwig Lucius in Mainz.
1908 verlobten sich Hedwig Lucius und Karl Grein. Ihren Beruf gab sie damit auf. Es war damals üblich, dass Frauen vor der Eheschließung ihre Berufstätigkeit quittierten, um sich auf die Ehe vorzubereiten. Auch durften Lehrerinnen damals nicht verheiratet sein, es gab das Lehrerinnen-Zölibat.
Hedwig und Karl Grein heirateten 1910. 1911 wurde der erste Sohn Ernst in Bretzenheim bei Mainz geboren, wo Karl Grein eine Pfarrerassistentenstelle versah.
Der zweite Sohn Eduard wurde 1913 in Kaichen bei Friedberg geboren, dem ersten festen Anstellungsort Karl Greins als Gemeindepfarrer von 1912 – 1919.
Nur vier Jahre konnte die junge Familie die Friedenszeit zusammen genießen. Im 1. Weltkrieg diente Karl Grein ab 1915 als Feldgeistlicher. Er wollte als Mann sein Heimatland verteidigen und bei den Soldaten an der Front sein, um ihnen seelischen Beistand und Trost zu geben. Zu Hause in Kaichen kam 1915 die Tochter Hedwig, genannt Heddi, zur Welt.
Aus diesen „Getrenntseins-Zeiten“, wie es Karl nannte, von 1915 bis Ende 1918 sind ca. 900 Briefe von Hedwig und über 600 von Karl erhalten. Sie erzählen vom Leben im Pfarrhaus in Kaichen und von den Kriegserlebnissen an der Front. Die Pfarrersfrau Hedwig Grein mit zwei kleinen lebhaften Buben und einem Säugling hatte zwar ein Hausmädchen, aber doch alle Hände voll zu tun. Die Lebensmittel wurden rationiert zugeteilt, so gab es beispielsweise für die Kinder nicht immer Milch und andere Grundnahrungsmittel. Im Sommer war der Gemüsegarten Lebensmittellieferant, vorausgesetzt, es wurde gut gegärtnert. Dann konnte die Familie etwas davon für den Winter konservieren. Einmal mästete Hedwig ein Schwein, das im Winter mit einer Genehmigung geschlachtet werden durfte. Dafür bekam sie staatlicherseits andere Lebensmittelzuteilungen abgezogen. Zugeteilt wurden auch Holz und Koks für die Einzelöfen in den Zimmern. Oft war nicht genug davon vorrätig und es galt, sich mit guten Nachbarn auszuhelfen, bis wieder etwas zu bekommen war. Das Leben war in dieser Zeit für keinen leicht – weder für die Soldaten an der Front, noch für die daheim gebliebenen Frauen mit ihren Kindern. So schrieb Hedwig einmal, dass sie sich am Ende ihrer Kraft und elend fühlt, weil sie für die Kinder zu wenig Zeit und Geduld aufbringt. Ein andermal lässt Hedwig ihren Mann teilhaben an den Erlebnissen mit den Kindern und berichtet von Geburtstagen, den ersten Schultagen von Sohn Ernst, den kleinen Entwicklungsschritten der Tochter Heddi und den Einfällen von Sohn Eduard. Auch informierte sie Karl über Ereignisse aus seiner Gemeinde und hielt ihn so auf dem Laufenden. Hedwig und Karl gaben sich in ihren Briefen gegenseitig Trost und Hoffnung auf bessere Zeiten.
Wir bedanken uns bei Hans Heinrich Herwig für seine Unterstützung. Seine Biografie über Karl Grein und die von ihm herausgegebenen Kriegstagebücher des Feldgeistlichen Grein waren unsere wichtigsten Quellen.
Foto 1 – Verlobung

Foto 2 – Feldgeistlicher

Foto 3 – Hedwig mit drei Kindern


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