„Oarhelljer Köpp“ Die Georg Mampels – Leben für Demokratie und Gerechtigkeit

Der Arheilger Geschichtsverein stellt in dieser Rubrik Menschen vor, die das Leben im Ort am Ruthsenbach prägten, den Alltag in besonderer Weise repräsentierten oder Leistungen erbrachten, die sie über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. In einer kleinen Serie mit vier Folgen berichten wir nun über vier Mitglieder der Familie Mampel, die von Mitte des 19. bis Ende des 20.Jahrhunderts in Arheilgen lebten. Alle vier trugen den Namen Georg Mampel.

Georg Mampel – Wer ist wer?

Früher wurde in Arheilger Familien nur eine kleine Anzahl von Vornamen vergeben. Um die oft gleichnamigen Familienangehörigen besser unterscheiden zu können, erhielten sie alle noch eine römische Zahl. Manchmal wurde diese Nummerierung auch nachträglich von Familienforschern vergeben, so dass wie bei unseren Georgs ein Nummernsalat entstand. Deshalb erhielten unsere Georgs nachträglich noch „Spitznamen“, so wie es in Arheilgen früher ebenfalls weit verbreitet war.

Georg Mampel IVa, geb. 31.03.1853 – gest. 23.04.1922, gelernter Eisendreher. Er ist ein „Pionier“ der Arheilger Arbeiterbewegung und Vater des Netzwerkers.

Georg Mampel IV, geb. 21.02.1881 – gest. 19.01.1973, gelernter Schlosser. Er ist der „Netzwerker“ der Arbeiterorganisationen, Vater des Chronisten und ein Onkel des Schaffers.

Georg Mampel I, geb. 22.07.1911 – gest. 29.06.1991, gelernter Glaser. Er ist der „Schaffer“, der immer hilft und anpackt und ein Cousin unseres Chronisten.

Georg Mampel II, geb. 6.02.1912 – gest. 23.04.1992, gelernter Kaufmann. Er ist unser „Chronist“, der akribisch die Familienchronik der Mampels und die Geschichte der örtlichen SPD aufschrieb.

(jhb) Georg Mampel II, der Chronist, war sein Leben lang in den Organisationen der Arheilger Arbeiterbewegung aktiv. 1986 veröffentlichte die Arheilger SPD die von ihm erforschte Geschichte unter dem Titel „100 Jahre Sozialdemokratie in Arheilgen“. Die Geschichte der organisierten Sozialdemokratie reicht in Arheilgen bis in das Jahr 1878 zurück. Seit 1903 gibt es hier die Partei unter dem Namen SPD. Die Geschichte der Familie Mampel ist sehr eng mit den ersten hundert Jahren der Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung verbunden. Bei jedem wichtigen Meilenstein war immer ein Mampel dabei. Und meistens hieß er Georg.

Folge 1: Die Anfänge der Arheilger Arbeiterbewegung

Als Arbeiter in der Arheilger Zündholzfabrik

In der Frühphase der Industrialisierung trug der erste Fabrikarbeiter in der Familie Mampel mal nicht den Vornamen Georg: Er wurde auf den Namen Heinrich Ludwig Mampel (geb. 1819 – gest. 1866) getauft. Er entstammte einer in Arheilgen ansässigen Wagnermeisterfamilie. Heinrich lernte kein Handwerk und arbeitete in einer Zündholzfabrik, die am heutigen Standort der Firma Luther in der Messeler Straße gestanden haben soll.

Sein Sohn Georg, der Pionier in unserer Geschichte, wurde 1853 in Arheilgen im Großherzogtum Hessen geboren und starb 1922 in den Anfangsjahren der Weimarer Republik. Diese Zeitspanne steht für den Wandel Arheilgens vom Bauerndorf mit großen Gasthöfen für Durchreisende zu einer Industriearbeitergemeinde mit dem Rangierbahnhof in Kranichstein. Im Süden Arheilgens siedelte sich die Firma Merck an. Im Westen, im heutigen Glockengartenviertel, errichtete die Firma Schenk ein Zweigwerg. Im Norden Darmstadt entstand das Eisenbahnausbesserungswerk, die „Knell“. Aus Bauernsöhnen wurden Industriearbeiter. Lohn und Brot suchende Handwerker siedelten sich an. Parallel zu, bäuerlich-bürgerlichen Leben entstand in Arheilgen ein Milieu aus Nachbarschaften und Organisationen, die das soziale Miteinander der Arbeiterfamilien von der Kindheit bis zum Lebensende prägten.

Unser Pionier schaffte nicht in Arheilgen, sondern in Darmstadt in der Eisengießerei der Gebrüder Sekt und war ein Arbeitskollege von Georg Fleck. Georg Fleck zählte 1878 nachweislich zu den Mitbegründern des Arheilger Arbeiterbildungsvereins, der Keimzelle der Arheilger SPD. Der Verein wurde kurz vor dem Erlass des Sozialistengesetzes gegründet. Er sollte die politische Bildung und Interessenvertretung der Arbeiter im Sinne von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit fördern.

Die seit 1875 in Gotha vereinigte Sozialistische Arbeiterpartei hatte in Arheilgen schon seit längerem Anhänger. Bei den Reichstagswahlen im Januar 1877 bekam ihr Kandidat im entstehenden Industriearbeiterdorf bereits 40 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ein bemerkenswertes Ergebnis, da eine Teilnahme an Wahlen für Georg Mampel  und die anderen Arbeiter – Frauen hatten erst ab 1919 das Wahlrecht – mit Lohnverlusten verbunden war. Sie fanden wochentags statt und die Wahllokale hatten nur tagsüber während der Arbeitszeit geöffnet.

Politik im Obrigkeitsstaat

Unter dem Sozialistengesetz, das am 22.Oktober 1878 in Kraft trat, durften die Sozialdemokraten zwar als Einzelpersonen bei Wahlen kandidieren. Jegliche Parteiarbeit, die sozialdemokratische Presse oder offensichtliche Bildungs- und Vereinsarbeit waren aber verboten. Auch Gesangsvereine wurden vielfach wieder aufgelöst. Doch die bittere Realität der Lebensverhältnisse und die Verbundenheit der Arbeiterfamilien hielten die Idee der sozialen Gerechtigkeit lebendig. Es wurde miteinander in kleiner Runde geschwätzt. Es wurde im Verborgenen gearbeitet. Auch in Arheilgen gab es eine illegale Organisation. 1884 trat Karl Müller ihr bei – sein noch vorhandenes Mitgliedsbuch trägt die Nummer 10.  Die Familien Müller und Mampel kannten sich. Karl Müller wurde später der Schwiegervater von Georg Mampel II – dem Chronisten der hiesigen SPD.

Als das Sozialistengesetz 1890 fiel, gründeten die Arheilger Sozialdemokraten noch im gleichen Jahr einen Arbeiter-Wahlverein. Staatsbedienstete durften weiterhin nicht der SPD angehörten. Dazu zählten unter anderem auch Arbeiter der Eisenbahnen. Deshalb wurde der Verein in Arheilgen erst 1903 in SPD umbenannt.

Erste Erfolge der Arheilger Arbeiter-Wahlvereins

1890 zählte Arheilgen rund 3500 Einwohner. Ende 1910 waren es fast 6400. Das Dorf wuchs und wuchs, an früheren Feldwegen, entstehen Wohnhäuser. Unser Pionier Georg Mampel erwarb im Kettenwiesenpfad, der späteren Kettenwiesenstraße, ein Grundstück. Ab 1891 lebten dort mehrere die Familien seiner Brüder und Nachkommen.

1892 wurde der erste Sozialdemokrat, es war Ludwig Büttner, als Mitglied des Arbeiter-Wahlvereins in den Gemeinderat gewählt. 1901 saßen bereits fünf Wahlvereinsmänner im 12-köpfigen Gemeinderat. Als sich die Firma Opel 1904 in Arheilgen ansiedeln wollte, fand dies allerding keine Mehrheit im noch weiterhin bürgerlich und bäuerlich dominierten Gemeinderat.

Organisator des sozialdemokratischen Netzwerkes

Der älteste Sohn unseres Pioniers Georg Mampels IVa kam im Februar 1881 auf die Welt und wurde nach dem Vater auf den Namen Georg IV. getauft. Er lernte Schlosser bei der Schlosserei Donges – heute Stahlbau Donges. Georg wurde zum Organisator des sozialdemokratischen Milieus, das zunehmend die Lebenswelt in Arheilgen prägte: Mit 19 Jahren trat er dem Arbeiter-Wahlverein bei. Dem Vorstand der SPD gehörte er lange Jahre als Beisitzer an.  Seit 1893 war er Sänger im Arbeitergesangsverein, der 1904 in „Treue“ umbenannt wurde. Auch überörtlich engagierte er sich im Arbeiter-Sängerbund. Außerdem war er Gründungsmitglied und Vorstand bei den „Freien Turnern“, dem Arbeiter Turn- und Sportverein Arheilgens. In unserer Geschichte nennen wir ihn den Netzwerker.

Das Ortskartell Arheilgen

1903 beteiligte sich er sich an der Gründung einer Arheilger Ortsgruppe der Metallarbeitergewerkschaft. Und von 1914 bis 1919 leitete unser Netzwerker das Ortskartell, in dem die örtlichen Gewerkschaften mit allen anderen sozialdemokratischen Organisationen zusammenarbeiteten. Das Kartell organisierte beispielsweise Bildungsveranstaltungen. Außerdem engagierte er sich im Aufsichtsrat des örtlichen Konsumvereins, der seit 1903 eine wichtige Rolle in der Versorgung der Arbeiterfamilien spielte.

Im Jahr 1911 heirateten Georg Mampel (IV) und Charlotte Jung. Sie war die Schwester Jakob Jungs, der von 1907 bis 1919 der Arheilger SPD vorsaß und während der Weimarer Republik durchgängig zum Bürgermeister Arheilgens gewählt wurde. Charlotte und Georg Mampel wohnten in den ersten Jahren ihrer Ehe mit der Familie Jung unter einem Dach in der Unteren Mühlstraße 4.

Bild 1- Gruppenfoto mit Buchpräsentation – BU:
: (W.Kumpf/AGV) Der Chronist Georg Mampel II (1 v.l.) stellt 1986 sein Buch „100 Jahre Sozialdemokratie in Arheilgen“ vor. Weitere Personen v.l.n.r.: Der Fotograf Werner Kumpf, Arheilgens Bezirksverwalter Harald Rack, der damalige Bürgermeister Peter Benz, der SPD-Vorsitzende Günter Pitthan.
Bild 2 – Kleines Gebäude vor Gaststätte Deutsches Haus- BU:
(W.Kumpf/AGV) In der Messeler Straße (früher Dieburger Straße) erbaute der Wagnermeister Johann Jost Mampel das kleine Haus Nr. 53. Es war das Elternhaus des Fabrikarbeiters Ludwig Mampel. Jahrzehnte später wurde es zeitweise als Verteilungsstelle des 1903 gegründeten Konsumvereins Arheilgen genutzt.  Die Aufnahme entstand um 1920.
Bild 3 – Porträt Georg Mampel –  BU:
(W.Kumpf/AGV) Der Schlosser Georg Mampel (hier ca. 1910) war schon im Arbeiter-Wahlverein Mitglied, der 1903 in SPD umbenannt wurde. Der Netzwerker engagierte sich zeitlebens in zahlreichen Organisationen der Arbeiterbewegung.
Bild 4 -Porträt Charlotte Mampel geb. Jung – BU
 (AGV) Charlotte Mampel (geb. 3.8.1878 – gest. 27.02.1956). Sie war die Schwester des späteren Bürgermeisters Jakob Jung. 1911 heiratete sie Georg Mampel, den Netzwerker.

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