„Oarhelljer Köpp“ Pfarrer Johannes Jourdan: „Ich glaube an die Kraft des Wortes“ Teil 1

(jhb) Der Arheilger Geschichtsverein stellt in dieser Rubrik Menschen vor, die das Leben im Ort am Ruthsenbach prägten, den Alltag in besonderer Weise repräsentierten oder Leistungen erbrachten, die sie über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. In dieser Folge erinnern wir an den evangelischen Pfarrer Johannes Jourdan. Sie erscheint in zwei Teilen. Heute:  Teil1/2.

Vor fast genau fünf Jahren, am 25. Januar 2020, starb der langjährige Arheilger Pfarrer Johannes Jourdan im Alter von 96 Jahren. Bis 1986 wirkte er 34 Jahre lang als Evangelischer Pfarrer, zuerst in der Auferstehungskirche und dann als Gründungspfarrer in der Kreuzkirchengemeinde. Die Arheilger kannten ihn nicht nur als bibelkundigen Theologen, sondern auch als den CVJM-Pfarrer, den Jazz-Pfarrer, den Fußball-Pfarrer. So viele Spitznamen, so viele Talente: Bis weit über die Grenzen Arheilgens hinaus war er als ein schaffensfreudiger und erfolgreicher Liederdichter, Lyriker, Sachbuchautor und Melodienkomponist bekannt, dessen Lieder und Oratorien noch heute gesungen und aufgeführt werden.

An einem Himmelfahrtstag, es war der 10.Mai 1923, wurde Johannes Gottlob Ludwig Jourdan als zweiter Sohn von Mathilde und Gottlob Jourdan in Kassel-Bettenhausen geboren. Er hatte vier Brüder und wuchs in einem christlich geprägten Elternhaus auf. Sein Vater war Sekretär des Westdeutschen Bundes, eines regionalen evangelischen Jünglingsvereins, und seit 1922 Gemeindediakon in Kassel. Gottlob Jourdan stammte aus einer Waldenserfamilie in Großvillars im heutigen Landkreis Karlruhe. Auch Johannes Jourdan pflegte das Erbe der Waldenser. In den 1990iger Jahren war neben seinen anderen Aktivitäten erster Vorsitzender der Deutschen Waldenservereinigung.

Von Kriegserinnerungen geprägt

Johannes Jourdan wurde im Oktober 1940 noch als 17-jähriger von der Wehrmacht eingezogen. Ausgebildet als Panzerfunker, nahm er 1941 am Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion teil. Der Krieg führte ihn bis vor Sankt Petersburg, dem damaligen Leningrad. Wie sein Sohn Martin berichtet, hatte Johannes Jourdan Glück: Bevor seine Division fast aufgerieben worden war, wurde er im Juni 1944 zum Medizinstudium nach Deutschland zurückgerufen. Hier arbeitete er zuerst in einer Sanitätsabteilung und erlebte im April sein Kriegsende als Teilnehmer eines Offizierslehrgangs in Erfurt. Johannes Jourdan litt an den Kriegserinnerungen. Sie prägten viele seiner Texte und sein Engagement für Frieden und Aussöhnung. Vor allem mit seinen Liedern baute er Brücken zu russischen Künstlern, beispielsweise über gemeinsame Konzerte mit dem russischen Kinderchor Samantha oder dem Männerchor Anima, die auch in Arheilgen auftraten.

Nach kurzer amerikanischer Kriegsgefangenschaft bis Mitte Juni 1945 schrieb er sich zum Medizinstudium ein. Dann wechselte er im Dezember 1945 zum Studium der Theologie in Marburg, was er in Tübingen fortsetzte. „Die Freude am Glauben vermittelte ihm ein Schwerverwundeter nach dem Krieg“, erfahren die Arheilger in seinem Abschiedsgottesdienst. 1950 wurde er Vikar in Rengershausen einer Gemeinde in der kurhessischen Landeskirche.

Pfarrer der neuen Kreuzkirchengemeinde

1952 heiratete Johannes Gertrud Meseck, die in Arheilgen als „Traute“ bekannt war. Gertrud war geschieden. Sie brachte zwei Kinder, Gerlinde und Michael, in die Ehe. Für angehende Pfarrer war dies damals in Teilen der evangelischen Kirche noch ein Grund für Strafversetzungen. Dieser konnte Johannes Jourdan dank der Vermittlung Martin Niemöllers entgehen. Er erhielt im Oktober 1952 die Pfarrassistentenstelle in der Auferstehungsgemeinde in Arheilgen. Am 1. April 1955 wird Johannes Jourdan zum Pfarrverwalter der neu errichteten Pfarrstelle Kreuzkirchengemeinde berufen. Am 15. Januar 1956 wird er in dieses neue Amt offiziell eingeführt und im gleichen Jahr wird auch der Kirchenbauverein gegründet. Am 24. April 1960 konnte der 1. Bauabschnitt der Kreuzkirche vollendet und das Gemeindezentrum der zweiten evangelischen Kirchengemeinde im wachsenden Arheilgen eingeweiht werden. Aufgrund der Kosten und des damals schon absehbaren Rückgangs der Kirchgänger sprach er sich gegen den geplanten Bau einer Kirche auf dem Gemeindegelände aus. „Für Ihn war das Gemeindehaus als Kirche ausreichend“, berichtet sein Sohn Martin Jourdan.   Für die Entwicklung des Gemeindelebens war Johannes Jourdan ein entscheidender Impulsgeber und unermüdlicher Macher.

In den fünfziger Jahren wuchs auch die Familie Jourdan: Die Töchter Barbara und Uta kamen 1953 und 1956, der Sohn Martin 1958 auf die Welt.

Vom Pfarrer Jourdan zum Bruder Johannes

Johannes Jourdan kam von außerhalb nach Arheilgen. Er predigte ein fröhliches Christentum. Wie die Urarheilgerin Karin Wesp, die sich an viele gemeinsame Stunden im Bibelkreis, im Gottesdienst, auf privaten und Gemeindefesten erinnert, erzählt, fasste Jourdan sein theologisches Selbstverständnis in einem Satz zusammen: „Wenn wir die Nächstenliebe befolgen, dann brauchen wir keine weiteren Regeln und Gebote,“ so Karin Wesp. Jourdan war hilfsbereit und großzügig. Doch gerade in den Anfangsjahren spürten Pfarrer und Gemeinde in ihrem Miteinander immer wieder mal eine emotionale Distanz: In seinen Predigten war er bestrebt, den Menschen „aufs Maul zu schauen“ und an ihrem Alltag anzusetzen, aber er sprach keinen südhessischen Dialekt, er war studiert und sich seines Wissens bewusst, er war innovativ und die Oarhelljer Mucker waren halt die Mucker. So lud der Jazz-Liebhaber Jourdan in den frühen 60iger Jahren die „Long Louis Babys“ zum ersten Jazz-Gottesdienst nach Arheilgen ein.  Wie Jourdan wiederholt erzählte, bellte am Morgen danach eine Stimme ins Gemeinde-Telefon: „Keine N…musik in deutschen Kirchen.“ Doch Johannes Jourdan ließ sich nicht beirren, organisierte in Arheilgen weitere Jazzkonzerte, Konzerte mit Mitgliedern des Chors der US-Armee oder madagassischen Studenten.

 „Wir haben immer Respekt vor ihm gehabt, den er auch erwartete. Mit der Zeit gehörte er einfach zu uns, er bereicherte uns und wir nannten ihn Bruder Johannes,“ erinnert sich Karin Wesp.

Förderung der evangelischen Jugendarbeit im CVJM

Dass aus dem Pfarrer Jourdan Bruder Johannes wurde, lag auch an seiner erfolgreichen Jugendarbeit. Hier fand er in dem aus Bochum stammenden Dr. Alfred Rasen einen Freund und Partner. Alfred Rasen kam als Student nach Darmstadt und kannte die Jugendarbeit des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM) – Mädchen waren erst seit Mitte der 50iger Jahre zugelassen. Gruppen- und Bibelstunden wurden veranstaltet. Im grünen Fahrtenhemd mit Halstuch ging es auf Fahrradtouren und ins Zeltlager. 1954 wurde das erste Arheilger CVJM-Heim am Woogsweg errichtet. Johannes Jourdan packte selbst tatkräftig an und hätte nach dessen Fertigstellung eine Prüfung als Maurer ablegen können. Ende der 60iger brannte dieses Heim ab, 1974 konnte an gleicher Stelle das noch bestehende CVJM-Heim eingeweiht werden und der sportbegeisterte Johannes Jourdan begann seine Karriere als Torhüter. Zur Einweihung gab es ein Fußballspiel des Arheilger Gewerbevereins gegen den CVJM und der Gottesmann hielt seinen Kasten sauber. Zahlreiche weitere Prominentenspiele u.a. mit führenden Lokalpolitikern sollten folgen.

Der Initiative Jourdans ist es auch zu verdanken, dass Volleyball bereits seit 1958 zum Sportprogramm des Arheilger CVJM gehört und am Mühlbach internationale Spiele mit russischen und israelischen Volleyballern und sogar die Europameisterschaft des CVJM stattfinden konnten.

Bildunterschriften:

(Foto: M.Jourdan) – Pfarrer Johannes Jourdan predigt in seiner Gemeinde.
(Foto: K. Wesp) – Helfer und Mitarbeiter des Arheilger CVJM im Jahr 1955. In der ersten Reihe stehen Pfarrer Johannes Jourdan (Mitte) und Dr. Alfred Rasen (rechts).
(Foto: M. Jourdan) – Modell der Kreuzkirche mit dem Gemeindezentrum. Die kirche wurde nicht gebaut.
(Foto: M. Jourdan) – Pfarrer Jourdan moderiert im Jahr eine Diskussionsveranstaltung in der Kreuzkirche über inneren und äußeren Frieden.

Ein Kommentar

  1. Ein sehr beeindruckender Mensch,er hat es geschafft uns Kinder ,später Jugendliche und als Erwachsene zu prägen und als bessere Menschen in die Welt zu schicken.
    Danke für diesen tollen Artikel !

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